Fortgesetzte Schmutzfrachtüberlastung der Weißenfelser Kläranlage

Magdeburg: Der BUND kritisiert das mangelhafte Krisenmanagement des Zweckverbandes für Abwasserentsorgung Weißenfels (ZAW). Bis Ende 2011 hat man es versäumt, die überfällige, deutliche Reduzierung der Schmutzfracht im Abwasser auf ein solches Maß durchzusetzen, für welches diese Kläranlage ausgelegt und genehmigt wurde. Damit liegt ein andauernder Verstoß gegen §55 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz durch die permanente Gefährdung der Gewässersicherheit vor. So wurde noch Ende Juni 2011 bei einer Probenahme durch den Betriebsführer eine weitere erhebliche Stickstoffüberschreitung auf der Weißenfelser Kläranlage (KA) festgestellt, welche die  Gewässerbehörde des Burgenlandkreises dem BUND erst auf Anfrage im September 2011 mitteilte.

Dies unterstreicht, dass der Kläranlagenbetrieb bis heute nicht stabil ist, da weiterhin Schmutzfrachten aufgenommen werden, für die diese Kläranlage nicht ausgelegt ist. Die bisherigen Einzelmaßnahmen reichen nicht aus, wenn nicht endlich auch wirksame Begrenzungen und Reduzierungen von Abwassermengen der Lebensmittelindustrie insbesondere der stickstoffhaltigen Abwässer aus der Schlachtindustrie durchgesetzt werden. Der BUND kritisiert scharf, dass der ZAW nach außen den Eindruck vermittelt, als ob alles in Ordnung sei, obwohl die Anlage weiterhin nicht stabil ist. Sie wird über den Genehmigungsrahmen gefahren und somit droht jeden Tag, insbesondere bei Stoßbelastungen, eine erneute gravierende Einleitwertüberschreitung mit der Folge einer zusätzlichen Millionenstrafe auch für das Jahr 2012. Rechnet man die erwartete Strafsumme von ca. 4,5 Millionen Euro für 2011 hinzu, beläuft sich die Gesamtsumme der Abwasserabgaben seit 2006 auf mindestens 10 Mill. Euro, wobei Strafabgaben für Verstöße in 2007/2008 noch ausstehen.

Ohne Verursacherumlage wird der defizitäre Haushalt der Stadt Weißenfels auf all diesen Kosten sitzen bleiben und - wie für 2006 bereits geschehen - weiter über teure Kassenkredite finanziert werden müssen. Der BUND sieht mit Unverständnis und Sorge, dass Stadt und ZAW nicht alle Anstrengungen darauf richten, diese Umlage auf die Weißenfelser Allgemeinheit zu verhindern. Stattdessen wird das Verursacherproblem öffentlich nicht diskutiert und zahlreiche Hinweise und Fakten bezüglich der offensichtlich verantwortlichen Lebensmittelindustrie werden verschwiegen. So hat der schmutzfrachtstärkste Einleiter Tönnies nach Angabe des Burgendlandkreises „zeitweise bzw. teilweise Abwassermengen unter Verstoß gegen die Abwasserbeseitigungssatzung des ZAW bzw. unter Verstoß gegen Bestimmungen des Abwassereinleitungsvertrages mit dem ZAW der öffentlichen Kläranlage zugeleitet“. Auf diese Sachverhalte hat der BUND seit Jahren hingewiesen und rechtliche Konsequenzen gefordert. Der BUND sieht ein übergeordnetes öffentliches Interesse daran, dass sowohl der ZAW als auch die Gewässerbehörden diese Verstöße, wobei sogar Bluteinleitungen festgestellt sein sollen, endlich öffentlich machen und darlegen, warum der ZAW nicht satzungsgemäß die Abnahme verweigerte und bis heute zumindest eine deutliche Reduzierung der Schmutzfracht gegenüber der Firma Tönnies durchsetzt.

Der BUND hält es für unerträglich, dass der ZAW stattdessen eine Erweiterung der Kläranlage im Landschaftsschutz- und Überschwemmungsbiet der Saale weiter in vollem Ausmaß einreicht, obwohl schon für die erste, ca. 8 Millionen teure Ausbaustufe kein kommunaler Bedarf geschweige denn eine eigene Finanzierung vorgelegt werden kann. Eine Realisierung mit 70-80% öffentlichen Fördermitteln hält der BUND ebenfalls für illegitim, da es sich bei der Gesamtdimension ganz vorwiegend um verstecktes privatwirtschaftliches Erweiterungsinteresse des Schlachters Tönnies handelt. Da der Ausgang unsicher bleibt, hat Tönnies bewusst unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowie mit vorzeitigem Baubeginn eine Verlagerung und Aufstockung seiner Abwasserbehandlungskapazitäten beim LVwA Halle zusätzlich beantragt. Demnach sollen die stark belasteten, geruchsintensiven 4000m3 Abwasser/Tag für täglich >20.000 Schweineschlachtungen nun sogar direkt an den Wohngebieten verarbeitet werden.

Ein solches intransparentes Vorgehen zeigt, dass Tönnies die Konfliktlage an dem sensiblen und ausgereizten Standort weiter anheizt und vor der anstehenden umfangreichen Rechtsprüfung seiner Planungen wie seit Jahren gezielt auf Tatsachenschaffung sowie Duldung der Behörden setzt. Bis heute werden die Flotationsanlagen der Fa. Tönnies auf der KA in Reihe betrieben und damit die Stundenbegrenzung aus dem Baugenehmigungsinhalt missachtet. Auch die illegale Nutzung der LKW-Stellflächen durch die Tönnies-Kühlflotte wurde von der Bauaufsicht Weißenfels immer noch nicht untersagt. Der BUND hält diese Zustände in Weißenfels für symptomatisch und skandalös, da sich selbst über die Rechtsauffassung der Landesregierung ignorant hinwegsetzt wird. Das sofortige Einschreiten der Landesbehörden ist demnach nicht nur geboten sondern längst überfällig.