Situation in Weißenfels

In einem annonymen Leserbrief in der Mitteldeutschen Zeitung wird am 17. Januar 2007 zur Arbeitssituation im Fleischwerk Weißenfels wie folgt berichtet:

"Mit Interesse habe ich den Artikel über die Sonntagsschlachtung auf dem Schlachthof gelesen. Der Genehmigung zur Sonntagsarbeit soll "die Minderung der Arbeitslosigkeit in der Region Weißenfels zugrunde gelegt" worden sein. Diese Aussage muss doch für die dort beschäftigten Arbeiter aus der Region wie Hohn in den Ohren klingen. Jeder weiß, dass überwiegend Leiharbeiter dort arbeiten. Im Prinzip ist der Sonntagsschlachtung nichts Schlechtes nachzureden, sofern den Arbeitern jedoch genügend Freizeit und Erholungszeit zur Verfügung steht. Dies ist jedoch keinesfalls so. Geschlachtet wird von Sonntag bis Freitag. Meisten müssen die Arbeiter von Sonntag bis Freitag arbeiten und nicht selten (speziell Montag bis Donnerstag) von 7 bis 24 Uhr und länger. Als "Erholung" dient lediglich der Samstag. Vielleicht sollten zur "Minderung der Arbeitslosigkeit" ein paar von unseren genügend vorhandenen Arbeitslosen eingestellt werden."

Unsere Reaktion:

Nun haben es unsere Stadtpolitiker schwarz auf weiß. Tönnies beschäftigt in Weißenfels überwiegend Leiharbeiter in der Schlachtung und lässt sie bis Mitternacht täglich im Accord schuften. Ein schlechtes Gewissen sollte all die Stadtverantwortlichen beschleichen, welche die geplante Erweiterung zur Mega-Schlachtfabrik als Gewinn für den regionalen Arbeitsmarkt verkaufen. Mit der Billigparole „Das schafft Arbeitsplätze“ werden Verstand und Weitblick ausgeschaltet, Stadtentwicklungspläne passend gemacht und ungeniert Steuermillionen verschleudert. Bequem blendet man die wichtigen Fragen aus, wer diese Arbeitsplätze eigentlich besetzt, für wie lange und zu welchen Bedingungen. Warum verschließen sich die Befürworter vor diesen vom Leser beschriebenen Tatsachen?

Es wird seit Jahren schon von Gewerkschaften gewarnt, dass bei deutschen Schlachtbetrieben die Stammbelegschaften stark reduziert und große Teile der Tierschlachtung und -zerlegung über billigere Arbeitskräfte aus Osteuropa zu niedrigeren Stundenlöhnen abgewickelt werden. Die deutschen Auftraggeber nutzen den Einsatz externer Dienstleister und Werkverträgler, um ihre Lohnkosten zu verringern und Gewinne zu steigern. Sofern es nicht endlich politische Regelungen wie Mindestlöhne gibt, befürchtet man den Abbau von Tausenden weiteren sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen bis 2012.

 

Wissentlich des ungeeignetem Standorts will Clemens Tönnies unter Abschöpfung von Fördermillionen den Schlachthof Weißenfels auf die Größe von Rheda-Wiedenbrück aufblähen. Wie beispielhaft sieht seine Beschäftigungspolitik aber im Stammbetrieb Rheda aus? Im Internet liest man, dass der dortige Parkplatz von Tönnies vor Autos mit fremden Kennzeichen birst. 28 Nationalitäten wären dort beschäftigt, zu Löhnen und Bedingungen, in die Gewerkschafter kaum Einblick erhalten. Nach deren Auskunft sind von den über 3000 dort Arbeitenden nur noch 300 wirklich bei Tönnies beschäftigt, alle anderen bei Subunternehmern heißt es im Forum „auf Schalke“. Firmenchef Clemens Tönnies selbst spricht von 1400 osteuropäischen Arbeitern, das sind immer noch fast 50% der Belegschaft. Ist das also die Zukunft für Weißenfels?

 

Mit „Weißenfels hätte Geschmack“ posierten OB Rauner und Clemens Tönnies auf der Grünen Woche. Oft wird dem Verbraucher aber verschwiegen, dass Fleisch zu einer globalen Massenware verkommen ist, die Millionen Profit für Einzelne einbringt. Wir brauchen keine Erweiterung zu Megaschlachthöfen, sondern wahre Produktqualität, welche auch die Arbeitsbedingungen einschließt, unter denen ein Produkt hergestellt wurde. Dies wäre sowohl im Sinne der Verbraucher als auch derer, die heute schon in knochenharter Arbeit an Tönnies-Bändern (über)stundenlang so genanntes „Bauernglück“ produzieren.

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